Wenig Zeit? Zusammenfassung am Artikelende
Gefühlt ist das Thema Büro 4.0 in aller Munde und Inhalt unzähliger Veranstaltungen, Fachbeiträge und Diskussionen. Und wir Büromenschen haben natürlich auch unsere eigenen Erfahrungen gemacht, können – und wollen – mitreden. Aber warum ist dieses Thema aktuell so brisant? Sind wir in einer Zeit angekommen, in der alle Bedürfnisse nach Maslow befriedigt sind und uns nur noch der Wunsch nach Selbstverwirklichung antreibt? Handelt es sich also um ein reines Wohlstandsthema oder wollen wir uns vielmehr vor der digitalen Transformation wappnen?
Gehen wir in der Geschichte zurück, sehen wir, dass schon mit den Uffizien in Florenz im 16. Jahrhundert das vermutlich erste Gebäude errichtet wurde, das ausschließlich privatwirtschaftlichen Verwaltungsaufgaben dienen sollte. Die Entwicklung des Stahlskelett- und Stahlbetonbaus überwand zu Beginn des 20. Jahrhunderts konstruktive Grenzen und ermöglichte flexible Strukturen in der Grundrissplanung. Die so erschaffenen „Bürolandschaften“ sind zum Teil nach mehr als einhundert Jahren noch in Betrieb.
Mit dem Verschwinden der großen Rechenmaschinen im Zuge der dritten Industriellen Revolution Mitte der 1970er Jahre wandelte sich auch das Bild der Büroimmobilien. Die langen, oftmals als „Hühnerstall“ bezeichneten Reihen von Schreibmaschinen-Arbeitsplätzen wurden von kleinteiligen „Bienenwaben“ mit Computer-Arbeitsplätzen abgelöst. Aneinandergereihte Kuben mit halbhohen Sichtschutzwänden unterteilten nunmehr die Großräume der Bürogebäude.
Dieser Typus der Büroimmobilie hat sich seitdem nur wenig verändert. Neue Materialien und Techniken erlauben uns zwar mittlerweile, kostengünstiger in die Höhe zu bauen, aber das Bild des Büros ist – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – bis heute gleichgeblieben.
Mix aus Mobilität, Kommunikation und Kontemplation
Allerdings haben sich Unternehmen aus Großbritannien und Deutschland bereits in den 1970er Jahren intensiver mit der Veränderung der Immobilienklasse Büro beschäftigt. Im Zuge dessen wurde der Begriff der „Bürolandschaft“ geprägt. Impulsgeber waren hierbei Designer, Architekten oder Geographen, die sich mit der Frage beschäftigten, ob der Leitgedanke „form follows function“ nicht bereits in Umkehrung begriffen war. Städtebauliche Grundlagen mit ihren grundsätzlichen Fragestellungen waren hier immanent: Welcher Mix aus Mobilität, Kommunikation und Kontemplation macht unsere Städte lebendig? Warum funktionieren einige Stadtteile besser als andere? Welche Nutzungen werden benötigt, um sich wohlzufühlen und versorgt zu sein? Welches Verhältnis von Individual- zu Allgemeinfläche wird als angenehm empfunden?
All diese Fragen stellen wir uns auch noch im 21. Jahrhundert – und sie sind drängender geworden. Der Fachkräftemangel hat sich zu einem Kampf um die richtigen Mitarbeiter ausgeweitet. Soll man Studien glauben, sind weniger als 13 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland wirklich zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz. Und vor dieser Entwicklung sind alle Unternehmen gleich – die digitale Transformation der Arbeits- und damit eben auch der Bürowelt stellt alle vor die gleichen Herausforderungen. Aber wie sticht man als Unternehmen jetzt hervor und welchen Einfluss haben Bürogebäude auf den Unternehmenserfolg?
Die Headquarters der großen Unternehmen wie Apple, Google und Facebook zeigen, wie das Arbeiten von morgen aussehen kann und werden oft als gelungene Beispiele genannt. Nicht jedes Unternehmen kann sich aber einen ganzen Stadtteil leisten, um seine Mitarbeiter glücklich zu machen. Große innerstädtische Quartiers-Entwicklungen mit über 50.000 bis 100.000 Quadratmetern werden aufgrund der verdichteten Ballungsräume und den steigenden Erwerbs- sowie Mietkosten zur Mangelware. Bei Leerstandsquoten von teilweise unter zwei Prozent in den deutschen Big-7-Standorten stellt sich zudem die Frage: Wie können wir die Vorteile und Annehmlichkeiten einer Zentrumslage oder einer Campus-Anlage auf kleinem Raum abbilden?
Hier ist die Verschmelzung der Assetklassen bei Refurbishments und Neuentwicklungen dringend gefordert. Einzelhandel, Büroflächen, Gastronomie, Coworking-Flächen sowie temporäres Wohnen kann auch auf engstem Raum wunderbar funktionieren. Klassische Bürogebäude geben diesen Mix aber nicht her. In konventionellen Bürogebäuden unter 10.000 Quadratmetern sind solche Angebote – anders als bei Quartiersentwicklungen – nur selten berücksichtigt. Dort findet man neben den Büroetagen höchstens ein repräsentatives Foyer – meist leerstehend und ungenutzt.
Mithilfe von Studien, Workshops, Gesprächen und der aktiven Zusammenarbeit mit Unternehmen und deren Mitarbeitern versuchen wir, den Nutzer zu verstehen und seine Erfahrungen zu nutzen. Der Fokus hat sich von reiner Flächeneffizienz hin zur Mitarbeiter-Attraktivität gewandelt. Die Trennung zwischen Privat- und Berufsleben ist aufgrund der ständigen Erreichbarkeit kaum mehr gegeben. Dem muss Rechnung getragen werden. „Activity based working“ beschreibt genau diesen Bedarf an das Arbeitsumfeld. Acht Stunden täglich am Schreibtisch zu arbeiten ist zur Ausnahme im Büroalltag geworden. Mobilität via Car-, Ticket- und Bikesharing, gesunde Gastronomie und Coworking-Lounges, Bewegungsflächen oder Sportangebote, Concierge-Services für Pakete und Dienstleistungen sowie digitale Plattformen zum Austausch werden immer mehr fester Bestandteil unseres Arbeitsalltages.
User Experience
User Experience spielt eine große Rolle bei der Produkt- und Serviceentwicklung. In vielen Bereichen gilt der vorchristliche römische Ingenieur Vitruv als erster Architekt und Designer, der mit den Begriffen Firmitas (Festigkeit), Utilitas (Nützlichkeit, Usability) und Venustas (Schönheit) die Kriterien für das Nutzerlebnis definiert hat, wenn es auch damals noch eher auf Gebäude ausgerichtet war.
Um die Mitarbeiter mit solchen Angeboten glücklich zu machen, bedarf es aber eines Umdenkens auf allen Seiten. Arbeitgeber müssen verstehen, was ihre Mitarbeiter motiviert, und sie müssen analysieren, wie die tatsächliche Auslastung der konventionellen Arbeitsflächen aussieht. Der Mix aus Allgemein- und Individualraum sollte aber den bestehenden Flächenbedarf nicht drastisch erhöhen, sondern lediglich verändern. Aber auch Eigentümer, Entwickler und Investoren sind gefragt, sich für alternative Mietmodelle, flexible Flächenangebote, zusätzliche Dienstleistungen und für digitale Smart-Building-Vorrüstungen zu öffnen. So werden Gebäude zur Marke und Services zum Standard. Um nachhaltige Gebäude zu entwickeln und um langfristig für die sich stetig ändernden Bedarfe der Mieter gerüstet zu sein, ist es unabdingbar, sich mit den Erfahrungen der Nutzer zu beschäftigen.
Intelligente und zukunftsweisende Immobilien brauchen User Experience mehr denn je!
Zusammenfassung
Stets beeinflusst vom Zeitgeist der unterschiedlichen Epochen befindet sich der Typus der „Büroimmobilie“ – eines Gebäudes, das ausschließlich privatwirtschaftlichen Verwaltungsaufgaben dient – schon immer im Wandel. Dabei standen besonders in den letzten 50 Jahren die Bedürfnisse der in einer Büroimmobilie im Vordergrund. Auch das 21. Jahrhundert mit seinen neuen Fragen und Anforderungen hat die Büroimmobilie erneut auf den Prüfstand gestellt. Der Fokus hat sich von reiner Flächeneffizienz hin zur Mitarbeiter-Attraktivität gewandelt. Alternative Mietmodelle, flexible Flächenangebote, zusätzliche Dienstleistungen und digitale Smart-Building-Vorrüstungen – all das sind mögliche Antworten auf die Anforderungen der Nutzer. Gebäude werden so zur Marke und Services zum Standard.
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Christian Krauss
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