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Dekarbonisierung steigert die Wirtschaftlichkeit von Immobilien

Wussten Sie, dass der Gebäude- und Bausektor für etwa 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich zeichnet? Laut Klimaschutzziel der Bundesregierung soll die Branche bis 2045 klimaneutral sein, die EU will bis 2050 einen emissionsfreien Gebäudebestand.

Vor diesem Hintergrund haben sich Vorreiter:innen der Bau- und Immobilienwirtschaft in einem neuen Praxisforum zusammengetan: Immo2.Zero. Der Startschuss fiel im Januar 2022. Dr. Kerstin Burmeister sprach mit Philipp Schedler, Senior Sustainability Manager bei Art-Invest Real Estate, sowie Susann Bollmann, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin Projekte & Finanzforum Energieeffizienz bei der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF), über diese Initiative sowie die Herausforderungen der Dekarbonisierung und Möglichkeiten zu ihrer Umsetzung.

Lesedauer: 9 Minuten
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Bis 2045 soll der Gebäudebestand klimaneutral sein. Warum ist die Dekarbonisierung der Bestandsgebäude so wichtig?

Philipp Schedler: Es ist gerade der Gebäudebestand, der klimaschädliches Kohlendioxid freisetzt. In Europa verursachen Gebäude mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen und sie verbrauchen 40 Prozent der Energie. [1] Sanierungen im Bestand wirken daher stärker und schneller auf die Entwicklung des Treibhausgasausstoßes und bringen schnellere Erfolge in Bezug auf die Klimaziele. Bisher wurden viel zu sehr allein die Neubauten betrachtet, die aktuell jedoch nur ein Prozent des Gebäudebestands ausmachen. Man muss sich schlicht vor Augen führen, dass fast der gesamte Gebäudebestand auch 2045, wenn die Klimaneutralität erreicht sein soll, noch da sein wird. Seine Dekarbonisierung bildet daher den entscheidenden Hebel zur Erreichung der ehrgeizigen Klimaziele im Gebäudesektor. Die Branche muss daher die Sanierungsrate schnell erhöhen. Die sogenannte Renovation Wave der EU will diese von derzeit unter einem Prozent auf zwei Prozent steigern. Denn 85 Prozent des Gebäudebestands in der EU wurde vor 2001 errichtet. [2] Dies zeigt, dass der Gebäudebestand größer ist als allgemein angenommen.

 

 

Ist die Bau- und Immobilienbranche ausreichend auf diese Aufgabe vorbereitet?

Philipp Schedler: Die Dimension der Herausforderungen und der zeitliche Druck sind für die Bau- und Immobilienwirtschaft gewaltig: Es geht hierbei schließlich um eine nachhaltige Transformation einer gesamten Branche. Daher haben die Akteure im Immobilien- und Bausektor einen sehr hohen Bedarf an Informationen und sie stehen vor großen Investitionen. Den Entscheider:innen fehlen oft Beispiele und Methoden, wie sie die Herausforderung angehen können. Eine weitere Schwierigkeit zeigt sich in den unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Dekarbonisierung bei Bestandsbauten und Projektentwicklungen: Während die Planung von Projektgebäuden alle nachhaltigkeitsrelevanten Aspekte berücksichtigen kann, lässt sich im Bestand nachträglich nicht alles ändern, zum Teil geht es dabei um recht kleinteilige Dinge. Dies trifft auf den gesamten Gebäudebestand zu. Darüber hinaus wissen Bestandshalter:innen, Asset Manager:innen, Projektentwickler:innen, Immobilienfonds, Property Manager:innen und Facility Manager:innen häufig nicht, welcher konkrete Handlungsbedarf für Objekte, Portfolien und Quartiere besteht. Deshalb sind Initiativen wie das Praxisforum Immo2.Zero so wichtig.

Immo2.Zero Bild

Frau Bollmann, wer steht hinter Immo2.Zero und wer macht mit?

Susann Bollmann: Immo2.Zero fungiert als eigenständiger Bereich unter dem Dach der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF). Die DENEFF hat sich über mehr als 10 Jahre als Expertin für Klimaschutz und Energieeffizienz etabliert. Sie ist unabhängig und genießt in Politik und Medien eine hohe Glaubwürdigkeit.

21 führende Unternehmen aus der Immobilien- und Finanzbranche treiben aktuell in der Initiative gemeinsam den Klimaschutz im Gebäudesektor voran – Tendenz steigend. Zu diesen Klimaschutzvorreiter:innen der Immobilienwirtschaft gehören neben Art-Invest Real Estate viele weitere namhafte Player der Immobilienbranche.     

Wir sind ein Praxisforum und bereiten die relevanten Themen rund um die Dekarbonisierung von Gebäuden auf. Damit unterstützen wir die Bau- und Immobilienbranche praxisorientiert in allen Phasen des Wertschöpfungsprozesses und begleiten die Unternehmen bei der erforderlichen Transformation.

Wie sieht die Zusammenarbeit der Teilnehmer:innen bei Immo2.Zero aus?

Susann Bollmann: Die Teilnehmer:innen der ersten Stunde haben vorbereitend die Ausgangssituation sowie unternehmerische Hemmnisse und Barrieren auf dem Weg zu klimaneutralen Gebäuden diskutiert. So konnten wir die relevanten Themenfelder identifizieren und strukturieren. Gemeinsam entwickeln wir nun eine an der Praxis orientierte Gesamtstrategie, um spätestens bis 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen.

 

Bis Ende 2022 wollen wir die erste Version eines Playbooks vorlegen. Dieses Dokument entwickeln wir in den folgenden Jahren kontinuierlich weiter. Als Baukasten für Umsetzungsverantwortliche wird es die Ergebnisse, Endprodukte und Insights aus sechs thematischen Arbeitsgruppen enthalten, unter anderem bewährte Tools, Best Practices sowie konkrete Praxistipps und relevante Ansprechpartner:innen.

 

Co2 Holzwürfel
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Herr Schedler, warum sind Sie dabei? Welchen Mehrwert bietet die Teilnahme Art-Invest Real Estate?

Philipp Schedler: Wir nutzen diese Möglichkeit, aktuelle Trends und Marktentwicklungen frühzeitig bei unseren Projektentwicklungen zu antizipieren. Die Initiative erleichtert uns auch, die Implikationen aktueller politischer Vorgaben auf EU- und Bundesebene besser für uns einzuordnen. Sehr inspirierend und wichtig ist es auch, ein Forum zu haben, in dem wir uns mit anderen Klimaschutzvorreiter:innen der Branche austauschen können, zum Beispiel auch zu Low-Invest-Innovationen und Fördermöglichkeiten. Unsere Branche benötigt Vorbilder, also Pilot- und Demonstrationsprojekte. Deshalb ist die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch über Immo2.Zero so wichtig. Die Teilnehmer:innen stellen sich gegenseitig erfolgreiche Umsetzungen vor. So sehen alle, dass eine Lösung in der Praxis funktioniert. Die mit anderen Playern entwickelten und getesteten konkreten Lösungen können schnell skaliert werden und ihre Klimaschutzwirkungen entfalten.

Der gemeinsame Kompetenzaufbau durch Immo2.Zero bewirkt auch, dass kein Unternehmen etwas wiederholen muss, was bei anderen nicht funktioniert hat. Und wir wissen, wer uns bei bestimmten Fragen unterstützen kann und bekommen Zugang zu Lösungsanbieter:innen, mit denen wir in unseren Projekten zusammenarbeiten können.

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Welchen Themen widmet sich Art-Invest Real Estate im Rahmen von Immo2.Zero in besonderem Maße?

Philipp Schedler: Das Praxisforum hat sechs Arbeitsgruppen eingerichtet. Alle diese von Immo2.Zero aufgegriffenen Themen sind für uns wichtig. Da sich die Arbeitsgruppen gegenseitig ihre Ergebnisse vorstellen, partizipieren alle an jedem Erkenntnisgewinn. Dies generiert gruppenübergreifend Mehrwerte.

In der Gruppe „Analysieren & Planen“ geht es darum, wie das Thema in den Unternehmen managementfähig wird, wie Ziele über die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens operationalisierbar werden und es geht darum, eine Dekarbonisierungsstrategie zu entwerfen und das Know-how der Nachhaltigkeitsverantwortlichen zu entwickeln.

„Umsetzen & Lernen“ hat das Ziel, bei Bestandshalter:innen entsprechendes Know-how über den Gebäudelebenszyklus hinweg aufzubauen und skalierbare Maßnahmen zu finden. Welche Aktivitäten sind zu welchem Zeitpunkt in welchen Immobilientypen sinnvoll? Was kosten und was bringen sie? Begonnen wird mit geringinvestiven Maßnahmen und einem vorzeitigen TGA-Austausch. In diese Arbeitsgruppe bringen wir uns aktiv ein. Da wir im Thema Sanierung eine Kernkompetenz aufweisen, können wir hier sowohl etwas lernen als auch unsere Erfahrungen einbringen.

Dekarbonisierung Co2 Haus
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Frau Bollmann, welche weiteren Arbeitsgruppen gibt es?

Susann Bollmann: In der Arbeitsgruppe „Digital“ geht es um die effektive Sammlung von Gebäudedaten, unter anderem Energieverbrauchsdaten, und um Lösungen in den Bereichen Digitalisierung und Automatisierung. Von Bedeutung ist auch eine branchenweite Transparenz und die Fähigkeit, die verschiedenen Stakeholder:innen mit den Daten zu versorgen, die sie benötigen. In diesem Zusammenhang können auch Branchenbenchmarks für unterschiedliche Nutzungsarten als Vorbilder geschaffen werden. Dabei arbeiten wir aber mit bestehenden Standards und Frameworks, denn im Forum sind wir uns einig, dass hier das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss.

Philipp Schedler: Die vierte Gruppe „System“, in der wir auch mitarbeiten, beschäftigt sich damit, wie sich Dekarbonisierung in das Asset Management einführen und systematisch in Objektstrategien und Prozesse über den gesamten Lebenszyklus integrieren lässt. Die Ergebnisse werden Asset Manager:innen praktische Orientierung für die Betriebsphase einer Immobilie geben. Entstehen soll ein Maßnahmenkatalog „Nachhaltiges Asset Management“ mit Tools, Methoden, Beispielen und Invest-Bedarfen. Für uns stellt gerade die Umsetzung im Asset Management eine Herausforderung dar. Wir tauschen uns unter anderem auch darüber aus, an welchen Stellen im Asset-Management-Prozess die Themen Dekarbonisierung und Klimaschutz mitgedacht werden müssen und in die Standardprozesse integriert werden können.

Susann Bollmann: Eine fünfte Arbeitsgruppe „Dekarbonisierungsdienstleistung und Finanzierung“ beschäftigt sich damit, wie aus der Dekarbonisierung ein Business Case für alle werden kann. Es geht um die Anforderungen des Kapitalmarkts, um Fördermittel und Energiedienstleistungen. Es geht hier auch um die Asset Class „Green Buildings“: Welche Anforderungen hat der Kapitalmarkt an grüne Immobilien? Die sechste Arbeitsgruppe „Change Management“ thematisiert die Menschen im und am Gebäude. Es geht um die Wertbeiträge, die Nutzer:innen, Mitarbeiter:innen, Dienstleister:innen etc. für eine gelungene Dekarbonisierungsstrategie leisten können und auch um die Mehrwerte, die sie aus dekarbonisierten Gebäuden erzielen. Wir gehen davon aus, dass Mieter:innen und Investor:innen zukünftig verstärkt klimaschonende Flächen nachfragen werden. Des Weiteren werden wir uns damit beschäftigen, wie man die gesamte Organisation fit-for-2045 machen kann – da spielen dann auch Personal- und Organisationsentwicklungsthemen eine Rolle.

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Art-Invest Real Estate steht für langfristige Wertschöpfung im Bereich zukunftsorientierter Immobilien. Herr Schedler, wo ordnet sich Ihr Unternehmen auf dem Weg zu einem klimaneutralen Bestand ein?

Philipp Schedler: Bei Art-Invest Real Estate beschäftigen wir uns bereits seit der Gründung im Jahr 2010 intensiv mit Fragen des Klimaschutzes und beziehen sie in unsere Projektentwicklungen mit ein. Ausdruck hiervon ist auch die Weiterentwicklung unserer Strategie „Manage-to-Core“ zur „Manage-to-Sustainability“-Strategie. Wir verbessern nach der Fertigstellung oder auch dem Erwerb noch nicht nachhaltiger Gebäude kontinuierlich die Qualität der von uns geplanten und realisierten Objekte, indem wir für Taxonomiekonformität und Energieeffizienz sorgen. Hierzu gehören Investitionen in CO2-Einsparungen etc. So sichern wir die Werthaltigkeit unserer Bestandsimmobilien. Wir sind da sehr gut aufgestellt, weil Sanierung von Beginn an eine unserer Kernkompetenzen bildet. Bereits viele unserer Bestandsgebäude wurden saniert und energetisch optimiert. Leuchtturmprojekte sind zum Beispiel der Kaiser Hof in Köln, die Kämmerei in der Düsseldorfer Altstadt oder die Macherei in Berlin-Kreuzberg. Wir wollen auch bei der Dekarbonisierung des Gebäudebestands Vorreiter sein, aus gesellschaftlicher Verantwortung, aber auch aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen.

Bei Projektentwicklungen spielen wir bereits jetzt ganz vorne mit, wenn es um Klimaneutralität geht. Mit dem Hammerbrooklyn.DigitalPavillon haben wir nicht nur das erste SmartScore-zertifizierte Smart Building in Deutschland entwickelt, sondern wurden von WiredScore sogar mit Platinum ausgezeichnet. Das Bauwerk ist das aktuell smarteste zertifizierte Gebäude weltweit und eine Benchmark für Smart Buildings. Der Energieverbrauch im Betrieb liegt deutlich unter den laut Energieausweisen erwarteten Bedarfen. Das liegt daran, dass diese die technologische Entwicklung nicht berücksichtigen. Die von uns eingesetzten neuen Technologien für einen effizienten Betrieb resultieren in signifikanten Verbrauchseinsparungen. Zusätzlich sorgt die ausschließliche Verwendung von Grünstrom für ein im Betrieb klimaneutrales Gebäude.

Dies alles zeigt uns, dass wir mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie auf dem richtigen Weg sind, sowohl bei unseren Projektentwicklungen als auch im Bestand. Unser Ziel ist ein dekarbonisiertes, nachhaltiges und ökonomisch attraktives Portfolio. Wir sind der festen Überzeugung, dass letztlich das eine das andere bedingt: Ein Portfolio ist nur dann ökonomisch attraktiv, wenn es nachhaltige, dekarbonisierte Gebäude enthält.

Susann Bollmann: Diese Perspektive können wir nur unterstützen. Schon jetzt können wir beobachten, wie sich die politischen Anforderungen an Gebäudeeigentümer:innen verändern und zukünftig sicher noch weiter verschärfen werden. In anderen europäischen Ländern müssen sich Eigentümer:innen bereits mit strengen Vorgaben in Bezug auf den maximalen Energieverbrauch eines Gebäudes auseinandersetzen. Tun sie das nicht, droht gegebenenfalls ein Betriebsverbot. Und das kann ein ganzes Geschäftsmodell ins Wanken bringen. Deshalb ist es so wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen.

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Im Finanzmarkt ist das Thema „Klimarisiko“ schon angekommen und immer mehr Immobilienbewerter schauen sich die Energieeffizienz von Immobilien etwas genauer an. Wer hier keinen Plan hat, wie er sein Gebäude fit für die Zukunft macht, muss wohl zukünftig mit mindestens höheren Zinsen rechnen.

Susann Bollmann, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin Projekte & Finanzforum Energieeffizienz bei der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V.

Welche Phasen des Gebäudelebenszyklus betrifft die Dekarbonisierung?

Philipp Schedler: Dekarbonisierung betrifft alle Lebenszyklusphasen von Gebäuden und die gesamte Wertschöpfungskette im Asset Management. Vom Einkauf über den Betrieb bis zum Exit aus einer Beteiligung. Die Branche benötigt folglich Lösungen und Partner:innen für alle Phasen.

Wie spiegelt sich dies in Ihrer Unternehmenspraxis wieder?

Philipp Schedler: Bei der Auswahl unserer Zulieferer:innen achten wir darauf, dass möglichst wenig Abfall generiert wird und möglichst wenig Ressourcen verschwendet werden. Mit der Macherei in Berlin-Kreuzberg haben wir erstmals das Thema Embodied Carbon aufgegriffen, uns also mit den Treibhausgasemissionen beschäftigt, die über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes oder Materials hinweg entstehen. Ungefähr ein Drittel der CO2-Ausstöße der Branche gehen auf diese eingebetteten Emissionen, auch „graue Energie“ genannt, zurück: Auf die Emissionen, die bei Produktion, Transport, Gebäudekonstruktion, Wartung und der Entsorgung von Bauprodukten am Ende des Gebäudelebens anfallen. Wir sind angebunden an die MADASTER-Plattform, dem globalen Online-Kataster für Materialien und Bauprodukte. Hier werden Bauten und alle Materialien und Produkte, die in ihnen stecken, registriert. Dies erleichtert das spätere Recycling. Das Thema Recycling fließt auch in unsere Konzepte und in Projekte ein, wo wir als Generalunternehmer fungieren.

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Wo setzt die Dekarbonisierung von Bestandsimmobilien an, welche Stellschrauben nutzen Sie?

Philipp Schedler: Im Gebäudebestand betrifft die Energiewende in erster Linie Heizung und Beleuchtung. Bei unseren Sanierungen und energetischen Optimierungen geht es zum einen um Energieeffizienz, aber auch um den Ersatz fossiler Energieträger, vor allem durch erneuerbare Energien. Zum Beispiel lösen Wärmepumpen, Fernwärme, Geothermie, Photovoltaik oder Lüftungen mit Wärmerückgewinnung Heizungsanlagen ab, die mit fossiler Energie betrieben werden. Man spricht auch von „grüner Wärme“. Wärmepumpen können auch zur Kühlung genutzt werden, ohne ein weiteres System installieren zu müssen. Wegen des bereits spürbaren Anstiegs der Durchschnittstemperatur als Auswirkung des Klimawandels fragen Nutzer:innen dies immer mehr nach. Insofern leisten sie einen Beitrag zur Klimaresilienz. Diese beachten wir insgesamt auch bei unseren Bestandsbauten.

Gerade in Büroimmobilien oder Hotels birgt der Stromverbrauch für Aufzüge, Beleuchtung, Lüftung und Klima große Potenziale für Effizienzsteigerungen. Weitere konstruktive Maßnahmen sind Maßnahmen der Wärmedämmung oder die Installation eines neuen Beleuchtungssystems.

Darüber hinaus sparen wir durch intelligentere Nutzungskonzepte Gebäudeflächen ein. Auch hierin liegt ein bedeutender Beitrag zur Dekarbonisierung. Diese Option nutzen wir vor allem bei Sanierungen, indem wir zum Beispiel Systemwände statt Gipskarton einsetzen, damit schnell zwischen verschiedenen Nutzungsarten gewechselt werden kann. Insgesamt betrachten wir alle Kohlendioxid freisetzenden Prozesse und ersetzen sie durch Alternativen ohne CO2-Emissionen.

Unsere Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen wir auf mehreren Ebenen: Auf Unternehmensebene haben wir ein ESG-Komitee eingerichtet und wir werden im Geschäftsbetrieb bis 2023 klimaneutral sein. Im Bereich Neubau werden wir in Zukunft ausschließlich taxonomiekonforme Projekte starten. Und im Gebäudebestand setzen wir die Smart Meter unseres Partners aedifion ein, um die Verbräuche zu analysieren. Dies ist der erste Schritt, um Verbrauchsdaten überhaupt vergleichen zu können.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei diesen Aktivitäten?

Philipp Schedler: Sie ist ein wichtiger Pfeiler auf dem Weg zur Dekarbonisierung. Daten sind grundlegend. Werden sie erfasst, aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt, ausgewertet und intelligent verarbeitet, zeigen sie Optimierungs- und Einsparpotenziale im Gebäudebetrieb auf. Ebenso spielen sie eine wichtige Rolle bei der Evaluation der Zielerreichung. Zusammen mit einem effizienten Umsetzungstool lassen sich die politischen Vorgaben mit Hilfe der Digitalisierung zügiger und nachhaltig erreichen. Zum Beispiel lässt sich der Energiebezug eines Gebäudes über Machine Learning intelligent steuern. Dann wird Strom zu den Zeiten bezogen, wenn der Strommix einen hohen Anteil erneuerbarer Energien enthält und / oder besonders preiswert ist. Auf diese Weise sinken gleichzeitig die Kohlendioxid-Emissionen und die Kosten. Dies funktioniert besonders gut in Kombination mit einem intelligenten Speichermanagement.   

Wie nutzt Art-Invest Real Estate die Möglichkeiten der Digitalisierung?

Philipp Schedler: Wir nutzen diese Möglichkeiten intensiv. Konkret messen bei uns im Gebäudebetrieb die bereits angesprochenen Smart Meter alle Verbräuche. Diese vollständige verbrauchstechnische Erfassung erlaubt es, den Gebäudebetrieb zu optimieren und die energetische Performance des Bauwerks zu kontrollieren - und damit das Erreichen der gesteckten Ziele. In diesem Jahr beschäftigen wir uns mit dem Roll-out der intelligenten Zähler. Generell ist Technologie in Gebäuden für uns kein „nice-to-have“, vielmehr sehen wir in digitalen Lösungen und Steuerungen den derzeit maximal möglichen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Das Beispiel Hammerbrooklyn.DigitalPavillon habe ich bereits erwähnt. Auch vorhandene Gebäudeautomatik kann elektronisch und digital nachgerüstet werden, zum Beispiel, damit nur tatsächlich benötigte Räume geheizt oder die aktuelle Sonneneinstrahlung beim Heizen berücksichtigt werden. Diese und andere Maßnahmen für nachhaltige Assets nutzen wir, um uns als Vorreiter:innen unserer Branche aufstellen. Sie steigern auch den Komfort für die Nutzer:innen.

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Was bedeutet die Dekarbonisierung für die Wirtschaftlichkeit, was für den Wert einer Immobilie oder eines Immobilien-Portfolios?

Philipp Schedler: Klimaschutz und Dekarbonisierung sind im Kerngeschäft der Immobilien- und Finanzbranche angekommen und liegen im ökonomischen Interesse der Betreiber und Errichter von Gebäuden. Diese Maßnahmen steigern die Wirtschaftlichkeit von Immobilien und den Wert von ganzen Immobilienportfolios. Dies umso mehr, als viele Investitionsstrategien die ESG-Kriterien – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – immer höher gewichten. Dekarbonisierung passt zudem hervorragend zu unserer Manage-to-Sustainability-Strategie: Bei unseren Immobilien realisieren wir kontinuierlich Wertschöpfungspotenziale – auch durch Aktivitäten, welche die Klimaneutralität des Gebäudebestands fördern. Ohne diese Maßnahmen würden viele Immobilien in den kommenden Jahren als „Stranded Assets“ an Wert verlieren und uninteressant für Investoren werden. Wir haben daher die Resilienz unseres Portfolios im Blick.

Aufgrund der verbreiteten Selbstverpflichtung von Investor:innen, nicht-nachhaltige Gebäude nicht mehr anzukaufen, muss man sich als Treuhänder:innen mit dem Thema beschäftigen. Maßnahmen zur Dekarbonisierung kosten erstmal Geld. Gleichzeitig wirken sie wertsteigernd. Die Zeit wird zeigen, ob die Maßnahmen zu einem „green premium“, einem Wertaufschlag für besonders nachhaltige Gebäude führen, oder ob es zu einem „brown discount“, einer Wertminderung nicht-nachhaltiger Gebäude, kommt, weil Nachhaltigkeit zum Branchenstandard wird.

Klimaneutralität des Gebäudebestands treiben wir also nicht nur aufgrund des politischen Drucks voran und wir betrachten die Dekarbonisierung nicht nur als eine durch Regulierungen auferlegte Pflicht. Vielmehr möchten wir auch auf diesem Gebiet zu den Vorreitern gehören und Treiber dieser Entwicklung sein, keine Getriebenen. Daher auch unser Engagement bei Immo2.Zero.

Susann Bollmann: Wir freuen uns, so engagierte Teilnehmer:innen wie Art-Invest Real Estate bei Immo2.Zero dabei zu haben. Wir lernen hier viel voneinander, vor allem wenn es ums Machen geht. Denn viel Zeit bleibt uns leider nicht mehr. Umso wichtiger ist es daher, Erfahrungen zu teilen, mutig Neues zu probieren und Dogmen hinter uns zu lassen. Am Ende muss die Renovierungswelle durchs Land rollen. Wohl dem, der die Welle heute schon surft. Denn im Finanzmarkt ist das Thema „Klimarisiko“ schon angekommen und immer mehr Immobilienbewerter schauen sich die Energieeffizienz von Immobilien etwas genauer an. Wer hier keinen Plan hat, wie er sein Gebäude fit für die Zukunft macht, muss wohl zukünftig mit mindestens höheren Zinsen rechnen.

Dekarbonisierung Holzhäuser
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Philipp Schedler
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Klimaneutralität des Gebäudebestands treiben wir also nicht nur aufgrund des politischen Drucks voran und wir betrachten die Dekarbonisierung nicht nur als eine durch Regulierungen auferlegte Pflicht. Vielmehr möchten wir auch auf diesem Gebiet zu den Vorreitern gehören und Treiber dieser Entwicklung sein, keine Getriebenen. Daher auch unser Engagement bei Immo2.Zero.

Philipp Schedler

Was tun Sie über Ihre Teilnahme bei Immo2.Zero hinaus konkret, um nicht nur den Regularien zu entsprechen, sondern weiter voranzugehen und zu den ersten der Branche zu gehören?

Philipp Schedler: Aktuell arbeiten wir daran, für unsere Projektentwicklungen ökologische Standards zu entwickeln. Hierbei hilft uns unsere Verbandsarbeit über ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., den Bundesverband Investment und Asset Management e. V. (BVI), die Investoreninitiative UN Principles for Responsible Investment (UN PRI), die Madaster-Plattform sowie die Mitgliedschaft im Praxisforum Immo2.Zero und bei der im Februar 2020 gegründeten Brancheninitiative „ESG Circle of Real Estate“ (ECORE). Das ECORE-Scoring vergleicht Immobilien und Portfolios unter Nachhaltigkeitsaspekten und wird kontinuierlich an die aktuellen Anforderungen der EU-Taxonomie angepasst. Diese ordnet Unternehmen in verschiedene Nachhaltigkeitskategorien ein. Das Klassifikationssystem definiert, welche ökonomischen Aktivitäten mit den sechs europäischen Umweltzielen vereinbar sind. [3] So können in allen Asset-Klassen die ESG-Konformität von Einzelobjekten und Portfolios transparent gemacht werden. Bei beiden Initiativen ist Art-Invest Real Estate von Beginn an engagiert. Die Vernetzung in diesen Foren ist hervorragend dazu geeignet, das relevante Know-how aufzubauen. Denn bisher werden die Mehrwerte von „grünen Gebäuden“ noch von zu wenigen Unternehmen gesehen.

Wo sehen Sie derzeit noch Handlungsbedarf, zum Beispiel seitens der Bundesregierung oder der EU?

Philipp Schedler: Wünschenswert wären auch für Nichtwohngebäude Energieeffizienzklassen. Diese ermöglichen es Käufer:innen, Investor:innen, Mieter:innen und Nutzer:innen abzulesen, wo das Gebäude in Hinsicht auf Energieeffizienz steht. Das derzeitige Fehlen dieser Klassen konterkariert auch die Absicht hinter dem Rahmenwerk der EU-Taxonomie, das ja höhere Vergleichbarkeit und Transparenz herstellen möchte.

Es wäre auch konstruktiv, das Thema Embodied Carbon“ viel stärker in die Fördermittelbetrachtung einzubeziehen. Muss ein Bestandsgebäude wirklich abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden? Nur bei einer vollständigen Lebenszyklusanalyse sowohl des Bestandsgebäudes, bei dem ein Abriss erwogen wird, und des stattdessen vorgesehenen Neubaus lässt sich abwägen, welche Lösung nachhaltiger ausfällt. Ein neues Gebäude kann – unter dem Thema Ökologie / Treibhausgasemissionen“ – nur dann sinnvoll sein, wenn die Summe aus Embodied Carbons und CO2-Emissionen kleiner ist als die Betriebsemissionen aus dem alten Gebäude.

Im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung des Stromnetzes halten wir auch eine gesetzliche Grundlage für sinnvoll, die einen einfachen Zugang zu den Verbrauchsdaten von Mieter:innen ermöglicht. Nur wenn die Verbräuche weitestgehend bekannt sind, lassen sich Gebäude sinnvoll vergleichen und daraus Maßnahmen ableiten.

Susann Bollmann: Vor allem braucht es Verlässlichkeit und Klarheit, sowohl aus Eigentümer- als auch aus Anbietersicht. So hat das Hin und Her bei den Fördermitteln den Markt ganz schön durcheinandergewirbelt und Planungen über den Haufen geworfen. Der Immobiliensektor hat nun einmal sehr lange Planungszeiträume, gepaart mit hohen Investitionsvolumina. Auf der anderen Seite ist es aber auch Aufgabe der Politik, klare Anforderungen an die Eigentümer:innen zu stellen. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass ineffizient betriebene Gebäude Energie verschwenden oder Eigentümer:innen ihre Verantwortung gegenüber Mieter:innen und Klima nicht wahrnehmen. Das geht auf Kosten aller.

Quellenverzeichnis

[1] Vgl. https://www.tga-fachplaner.de/meldungen/eu-gebaeuderichtlinie-null-emissions-gebaeude-sollen-der-standard-werden?utm_source=tga_newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=general_nl_tga

[2] Vgl.
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_6683

[3] Vgl. S. 19 https://www.true-sale-international.de/fileadmin/tsi_gmbh/tsi_downloads/Veranstaltungen/Stiftungsevents/Fachtagung/Stift_Facht_OestrichWinkel_2020_12_11/Fachpublikationen/4_Dr.Ari_Pankiewicz_d-fine.pdf

[4]
Die sechs Umweltziele sind: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie der Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

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Über die Autorin

Dr. Kerstin Burmeister studierte und promovierte an der RWTH Aachen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Politische Wissenschaften und Volkswirtschaftslehre. Seit 1998 betreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin ein Text- und Redaktionsbüro am Standort Aachen. Ein Schwerpunkt neben der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit liegt auf der Projektbegleitung, vor allem durch Unterstützung bei Antragstexten und Berichten. Vor der Selbständigkeit war Kerstin Burmeister an der RWTH Aachen tätig, zuletzt als Wissenschaftliche Angestellte und als Lehrbeauftragte der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.

kerstin-burmeister.de

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