Gut ein Vierteljahrhundert ist es her, als im Jahr 1996 in der Irish Times ein Artikel mit dem Titel „Death of the office?“ erschien, welcher sehr an die gegenwärtige Situation erinnert. Gerade erst war das Internet der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und die ersten Personal Computer und Laptops drangen auf den Markt. Aber die im Artikel geäußerten Befürchtungen waren dieselben, die wir gegenwärtig infolge der Ausweitung des Homeoffice bzw. Remote Working als Folge der Corona-Pandemie und Digitalisierung allenthalben zu hören bekommen: Wenn mehr Menschen im Homeoffice arbeiten, benötigen wir dann überhaupt noch Büros? Wird infolge des mobilen Arbeitens der Büroarbeitsplatz zum Auslaufmodell?
Die Corona-Pandemie und vor allem die Lockdowns der vergangenen 18 Monate haben einem Phänomen Vorschub geleistet, welches unter Juristen und in den Personalabteilungen mit den Begriffen Telearbeit und mobiles Arbeiten umschrieben wird. In der angelsächsischen Literatur ist hingegen von agile bzw. flexible working (agiles bzw. flexibles Arbeiten) oder noch konkreter von remote working (Distanzarbeit) bzw. Work From Home WFH (Heimarbeit) die Rede, während das Phänomen in Deutschland landläufig unter dem Schlagwort Homeoffice bekannt ist. Die babylonische Wortvielfalt um das agile oder flexible Arbeiten bzw. hybride Arbeitsplatzmodelle macht deutlich, dass es weiterer Abgrenzungen bedarf, um der Vielfalt der Konzepte und der daraus resultierenden Implikationen gerecht zu werden.
Verbreitung des Homeoffice vor Corona
Umfragen von Eurostat zeigen, dass das Homeoffice in Vollzeit immer ein Randphänomen geblieben ist. Tatsächlich arbeiteten 2019 nur 5,4 % aller Erwerbstätigen in den EU27-Staaten gewöhnlich von zuhause aus – ein Anteil, der seit 2009 ziemlich konstant geblieben ist. Im gleichen Zeitraum stieg jedoch der Anteil der Erwerbstätigen, die zumindest zeitweise im Homeoffice arbeiten, von 5,2 % auf 9 %. Somit hatten vor dem ersten Lockdown infolge von Covid-19 europaweit etwa neun von zehn Beschäftigten noch keinerlei Erfahrung mit dem Homeoffice gesammelt.
Am unteren Ende der Skala bewegen sich zahlreiche Mittelmeerländer. Aber selbst Deutschland weist bezüglich der Verbreitung des Homeoffice noch deutliche Defizite auf.
Deutschland ist im Hinblick auf die Homeoffice-Nutzung in allen relevanten Segmenten immer noch ein „Entwicklungsland“.
Alles in allem könnten europaweit gut 37 % aller abhängigen Beschäftigungsverhältnisse im Homeoffice verrichtet werden. Vergleicht man diese Quote mit den Verhältnissen vor Ausbruch der Pandemie, dann ergibt sich eine nicht unerhebliche Kluft. So könnte theoretisch mehr als ein weiteres Fünftel aller Beschäftigten innerhalb der EU bzw. mehr als 40 Mio. Arbeitnehmer:innen insgesamt ihr Büro gegen das Homeoffice eintauschen.
Wandel in der Wahrnehmung des Homeoffice
Während des 1. Lockdowns befanden sich bundesweit gut 27 % aller Werktätigen im Homeoffice. Denkbar wären gemäß Schätzungen des ifo-Instituts gut 60 %. Stellt man den Anteil der Homeoffice-Nutzung auf dem Höhepunkt des 1. Lockdowns den theoretischen Homeoffice-Potenzialen gegenüber, so zeigt sich schnell, dass ganz offensichtlich noch Defizite bei der Umsetzung oder prinzipielle Vorbehalte gegenüber dem Homeoffice bestehen.
Diese liegen häufig hierzulande immer noch in der weit verbreiteten Präsenz- und Kontrollkultur begründet, während in den Nordics und den Niederlanden bereits eine deutlich stärker ausgeprägte Vertrauenskultur am Arbeitsplatz anzutreffen ist. Aber nicht selten bestehen auch schlichtweg technische Hürden. So mangelte es bis zum ersten Lockdown vielerorts am notwendigen Equipment und an der benötigten IT. Häufig scheitert mobiles Arbeiten in Deutschland aber auch am Breitbandausbau. Bundesweit haben immerhin 7 % aller Haushalte immer noch keinen Internetanschluss. Und schnelles Internet gibt es hierzulande oft nur über Kabel-TV, während der Glasfaseranteil am Gigabit-Netz gerade einmal bei 13,8 % liegt. Verfügbarkeit bedeutet zudem nicht gleich Nutzung. So haben hierzulande lediglich 3,6 % der Haushalte einen Glasfaseranschluss bis ins Haus (Spanien: 62,5 %).
Die positive Nachricht der vergangenen Monate ist: mobiles Arbeiten funktioniert auch hierzulande. Dementsprechend möchten gut zwei Drittel aller in den Genuss des Homeoffice gekommenen Angestellten gerne auch künftig zwei bis drei Tage mobil arbeiten. Die Umstellung auf hybride Arbeitsplatzmodelle dürfte daher eine der großen Herausforderungen vieler Unternehmen in den kommenden Jahren bleiben.
Aber längst nicht alle Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen sind hinsichtlich ihrer Erfahrung mit dem Homeoffice so euphorisch. Nicht jede Tätigkeit kann von zuhause erfolgen. Auch verfügen nicht alle Mitarbeiter:innen über die geeigneten Voraussetzungen hierfür. Anderen Arbeitnehmer:innen fehlt ganz einfach der direkte Austausch mit den Kolleg:innen. Die Vereinsamung und Entgrenzung von Arbeit und Freizeit nimmt zu. Und nicht selten leiden auch Prozessabläufe und die Produktivität im Unternehmen darunter, wenn die einzelnen Teammitglieder sich nicht mehr physisch treffen.
Eine Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB vom Dezember 2020 kam dementsprechend zu dem Ergebnis, dass 58 % der deutschen Betriebe nach wie vor kein Homeoffice anbieten wollen. Dabei bestünde zumindest für die Hälfte der Beschäftigten theoretisch die Möglichkeit zur Homeoffice-Nutzung.
Von den übrigen Unternehmen geben zwei Drittel an, nach der Pandemie das Ausmaß wieder auf das Vorkrisen-Niveau zurückzufahren, 9 % wollen es sogar reduzieren. Dabei korrelieren die Expansionsabsichten positiv mit der Unternehmensgröße.
Es ist daher noch gar nicht ausgemacht, dass sich die Büroflächennachfrage und der absolute Büroflächenbedarf in den kommenden Jahren nachhaltig verringern wird. Wir glauben eher an eine qualitative Verschiebung der Nachfrage. Warum wir dies tun, können Sie in unserem Short Paper „Homeoffice in Zeiten der Corona-Pandemie – Wird das Büro zum Auslaufmodell?“ nachlesen.
Short Paper
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Holger Weber
Head of Research
Research